RAIN


Vorwort:

Ich hätte nie gedacht, dass meine Geschichten mal andere Leute inspirieren. Aber sehr selbst. Die gute FaunaNightWalker, zu finden auf WattPad hat für Rain ein neues Cover erstellt. Und ich finde, es sieht großartig aus.

Auszug:

 

Stakkatoartig und ohne jede Gnade beschoss der Himmel sie mit seinen kalten, nassen Kugeln.

Ihre Ohren waren erfüllt vom Trommelfeuer der kleinen Wassertropfen, welches alle anderen Geräusche geradezu auffraß.

Oder besser, fast alle.

Nur der an- und abschwellende Klang der Sirenen durch- drang noch den erstickenden Vorhang aus monotonem Pras- 

seln von Wasser auf Gummi und bohrte sich in ihr Ohr. Beide Geräusche zusammen vereinten sich zu einer Kako- phonie, die ihren jungen Geist beinahe zerriss. Sie wollte nur noch heim.

Heim!

Wollte nur noch zurück zu Mama.

Zurück zu Papa.

Kaum ein anderer Gedanke hatte noch Raum in ihrem Kopf und er stemmte sich mit aller Macht gegen das ohrenbetäubende Konzert, welches allgegenwärtig erschien.

Unter ihrer gelben Regenjacke und dem dicken Pullover darunter begann sich ihre Haut langsam klamm anzufühlen und ihr ganzer Körper zitterte zunehmend.

Zitterte immer stärker, während die Kälte des Regens sowie der Erschöpfung sich langsam bis zu ihren Knochen durchnagte. Tränen rannen über ihre eisigen Wangen.

Sie hätte direkt gehen sollen, als ihre Eltern bei Susanne anriefen. Aber was sollte die Aufregung, hatten sie und ihre beste Freundin noch gelacht. Es war doch nur ein bisschen Regen.

Nun jedoch war das Nass in rauen Mengen überall.

Die Stadt, die sie von Geburt an kannte, hatte sich zu einem dunklen Labyrinth gewandelt, in dem das Wasser an allem zerrte, was es erreichen konnte.

Vielleicht waren Susannes Eltern schon wieder da, oder ihre Eigenen waren gekommen sie abzuholen, kam es ihr in den Sinn. Vielleicht hätte sie doch nicht gehen sollen, als sich die Schleusen der Wolken immer weiter öffneten.

Doch jetzt war es zu spät.

Am liebsten wäre sie schon längst umgekehrt, jedoch hatte sie die Orientierung verloren, nachdem überall der Strom ausgefallen war, nichts mehr war, wie es noch am Tage war und nichts mehr gegen das Schwarz der angebrochenen Nacht ankämpfen konnte.

Alles wirkte nun so, als sei sie an einem fremden, unheilvollen Ort gefangen, der sie nicht entkommen lassen wollte. Weinend und erschöpft stolperte sie immer weiter vorwärts und unvermittelt keimte neue Hoffnung in ihr auf.

Die große freie Fläche, die sie gerade erreichte, umringt von finsteren Riesen, erkannte sie wieder, auch wenn das Wasser sogar hier langsam alles zu verschlingen schien. Es war der Platz vor dem Rathaus, den sie, seit sie denken konnte, am Wochenende mit ihren Eltern besuchte, wenn Markt war. Von hier aus waren es nur noch ein paar Straßen bis nach Hause.

Etwas krachte und donnerte von den Bergen herab, welche die Stadt teilweise umgaben. Ein Grollen, wie es ihre Fantasie immer für das Brüllen von fernen Drachen reserviert hatte, rollte durch die Luft.

Die alte Talsperre, dämmerte es in ihrem Kopf. Doch das konnte nicht sein. Sie war schon immer da gewesene. Hatte die Stadt schon immer beschützt. Es konnte nicht sein, dass diese gerade heute ihren Dienst quittierte.

Nein.

Die Verzweiflung, die seit einiger Zeit durch ihren Geist floss, wie das Wasser durch die Straßen, schlug auf einmal hohe Wellen und mit panischer Entschlossenheit, wummernden Herzens voran, stemmte sie ihre Gummistiefel gegen den unerbittlichen Strom, der an ihr zog, als ob sie die Seine war und kein Recht hatte zu entkommen.

Unaufhaltsam stiegen die Fluten immer höher, stiegen in ihre Stiefel, gingen ihr bald bis zum Bauch und das Rauschen ließ sogar fast die Sirenen und den Regen verstummen.

Nur noch ein paar Meter.

Die Gasse vor ihr lag höher als der Marktplatz selbst. Sie musste nur noch die Treppe erreichen.

Es knallte hinter ihr, als ob Rammböcke versuchten, massive Mauern einzureißen. Die Flutwelle drang auf einmal aus allen Richtungen und jagte ihr entgegen. Sie hechtete vor, griff nach dem Geländer und...

Ihr linker Fuß rutschte weg.

Von einer Sekunde auf die andere war sie eine Gefangene in den eisigen Klauen einer neuen Welt. Einer neuen Welt, die ihren Körper vollständig einhüllte, ihr das Atmen verweigerte und mit aller Macht versuchte, durch ihre zusammen-gepressten Lippen auch in ihr Innerstes zu dringen. Eine Welt, die sie unbarmherzig mit sich riss, wie ein Sandkorn im Sturm.

Oben war unten.

Links war rechts.

Sie fiel durch ein Universum des Chaos und landete plötzlich ohne jegliche Vorwarnung auf hartem Stein.

Keuchend spuckte sie aus und sog dann die kalte Luft tief in ihre Lungen, nur um gleich darauf gegen einen Hustenanfall anzukämpfen.

Was war passiert?, fragte ihr müder Geist eine einfache Frage. Doch sie fand erst keine Antwort darauf, während sie sich verwirrt umschaute und Mondlicht durch feine Risse in der Wolkendecke drang, die sich so rasch schlossen, wie sie aufgebrochen waren. Der Regen hämmerte erneut un-ablässig auf sie ein, als sie wahrnahm, dass das Wasser sich kaum einen Meter hinter ihr teilte. Brachial floss es zu beiden Seiten an ihr vorbei und ihre Augen folgten seinem Weg.

Dann erst bemerkte sie die Gummistiefel, welche knapp vor ihr standen. Sie waren Gelb wie ihre. Aber weitaus größer.

Zittrig schaute sie auf, an abgewetzten Jeans empor und einem dunklen Regenponcho entlang.

Das Gesicht der Gestalt entzog sich jedoch ihrem Blick, verbarg sich unter einer weiten Kapuze und in der Dunkelheit der Nacht. Nur das rote Glimmen einer Zigarre erleuchtete einen ungepflegten Vollbart, welcher verriet, dass es ein Mann war, der vor ihr stand.

Kurz schaute die Zigarre auf sie hinunter, glühte einmal auf und Qualm entfleuchte dem Mund, in dem sie steckte. Dann fuhr sie wieder nach oben, als ob das, was sie sah, vollkom-men uninteressant war, und es begann das, was ihr später niemand glauben würde.

Der Mann breitete seine Arme zu beiden Seiten aus. Funken und blau glühende Entladungen begannen zwischen seinen Fingerspitzen und den flüssigen Wänden um sie herum zu tanzen.

Das Wasser, welches unnatürlich, unglaublicherweise geradezu an ihnen vorbeistürmte, begann sich zu winden und zu brodeln, zog sich zusammen und es sah so aus, als ob es in unsichtbare Kanäle gezwängt wurde, welche dieses durch die Straßen der Stadt sicher an den Häusern vorbei führten.

Dann bildete sich eine weitere Mauer, deren Existenz nur darin Ausdruck fand, dass auf einmal die Reste der Fluten wie mit einem Skalpell durchtrennt von ihren neuen Armen abgeschnitten wurden. Die Massen, die nun nicht mehr weiter konnten, verformten sich, bäumten sich auf, schlugen heftige Wellen, wehrten sich förmlich wie ein gequältes Tier, bevor sie dorthin zurückgeworfen wurden, woher sie gekommen waren.

Und überall glühten und funkelten die blauen Energien, in deren Zentrum der Mann stand, vor dem sie immer noch auf dem Boden lag.

Langsam, fast andächtig schritt er an ihr vorbei und folgte dem Wasser, welches sich anscheinend seinem Willen unterworfen hatte, bis nur noch der Regen blieb.

 

...

 

Anna Möller erwachte schweißgebadet in ihrem Bett. 

Ihre Brust schmerzte unter dem Ansturm ihres Herzens. Krampfhaft versuchte sie ihre Lungen mit Luft zu füllen. Doch egal wie sehr sie auch nach dieser gierte, es schien nie genug zu sein.

Dann, langsam, endlich, beruhigte sich ihr Körper.

Noch einmal schloss sie ihre Augen und atmete tief ein und wieder aus.

Ein und aus.

Zum fünften Mal in nur zwei Wochen hatte er sie nun heimgesucht. Der Traum, der sie schon seit Jahren verfolgte. Sie kannte ihn gut und war jedes Mal froh drüber gewesen, das er sie nach seinem Besuch für einige Zeit wieder in Ruhe ließ. Aber nun erschien es ihr so, als sei er nicht mehr gewillt, je wieder wirklich zu entschwinden. Und dies kotzte sie ungemein an, sorgte er doch so dafür, dass sie zu-nehmend den Schlaf fürchtete und ihr Konsum an aufputschenden Mitteln in den letzten Tagen stark zugenommen hatte.

Aber der Mensch kann dem Schlaf nicht ewig entkommen.

Leider.

Anna überkam ein Gähnen und sie schaute auf den Wecker.

05:00 Uhr.

Es war noch viel zu früh zum Aufstehen und viel zu spät, um sich wieder dem Schlaf hinzugeben.

Trotz besseren Wissens wälzte sie sich noch ein paar Mal hin und her, nur um dann doch endgültig und entnervt das Bett zu verlassen.

„Diese Nervosität ist noch zum verrückt werden", murmelte sie vor sich hin, als sie erschöpft aufstand, sich streckte und dann ins Bad wankte, um sich zu waschen. Sie ver-abscheute es ungemein, wie sie sich fühlte. Verabscheute ihren tobenden Geist, auch wenn sie wusste, warum sie so aufgewühlt war und kaum mehr Ruhe fand.

Denn sie hatte ihn gefunden.

Nach all der Zeit, nach all den Mühen, nach all der Häme der anderen, hatte sie ihn endlich gefunden. Und diesmal war sie sich sicher.

„Aber warst du das, dass letzte Mal nicht auch? Warst du das nicht immer? Und doch lagst und liegst du falsch. Wann akzeptierst du endlich die Wahrheit, Kind? ", sprach eine Stimme aus dem hintersten Winkel ihres Seiens, die sie nur all zugut kannte.

„Sei still Mutter" warf sie ihrem Spiegelbild entgegen.

„Ich bin nicht verrückt.

Ich war es nie! Egal was ihr immer geglaubt habt. Egal was all die anderen sagten, oder die Psychologen versuchten mir einzureden. Bla Bla Bla. Die Flut hätte unsere Stadt zerstört. Hätte sie zerstören müssen. Die Talsperre war gebrochen!

Sie hatte nicht standgehalten, verdammt noch mal! 

Wir hatten kein Glück. Ich hatte kein Glück. Er war es. Er ganz allein. Und heute werde ich es euch beweisen. Euch allen. Der ganzen verdammten Welt! Hast du das verstanden Mutter?"

Stille, war alles, was ihr entgegenschlug.

Entschlossen strich sie eine fettige Strähne ihres langen, dünnen schwarzen Haares beiseite, wendete sich ab und ging unter die Dusche. Es hatte Jahre gedauert, bis sie es wieder ertragen konnte, das Wasser von oben auf ihren Körper herabfiel. Und noch heute beschlich sie dabei ein mulmiges Gefühl.

Doch diese Art von Regen hatte sie wenigstens unter Kontrolle.

Er war es, schoss es erneut durch ihren Geist, als das Frottee des Handtuchs ihren schmächtigen Körper verhüllte. Schnell waren ihre Haare getrocknet und noch schneller das wenige Make-Up aufgetragen, bevor sie ins Wohnzimmer wanderte.

Er war es.

Es konnte nicht anders sein.

Sie hatte ihn nun über ein Jahr beobachtet. Belauert geradezu. War ihrer Beute immer wieder hinterherge-schlichen, wie ein ausgehungerter Löwe, wartend auf seine Chance, endlich zu fressen. Wartend darauf, dass er einen Fehler machte.

Dass er sich verriet.

Es war unmöglich, dass sie sich irrte.

Er war es.

Und sie war es nun leid, auch nur einen Tag länger warten zu müssen.

Ihr Handy vibrierte, verlangte unverhohlen nach Auf-merksamkeit und ein Blick auf das Display verriet, dass ihr Chefredakteur ihren Urlaubsantrag gerade genehmigt hatte.

- Du schläfst wohl auch nie, was, Eduard? Aber danke. - , tippte sie zur Antwort und bekam im Nu eines dieser debil lächelnden und zwinkernden Smiley zurück

Sie mochte ihren Chefredakteur wirklich. Aber seine Eigenart, als Mann der Schrift zu großen Teil mithilfe von neumodernen Hieroglyphen zu kommunizieren, konnte sie nichts

abgewinnen. Genauso wenig wie dem Umstand, nun für dieses Schmierblatt zu arbeiten, welches angeblich die Stimme des Volkes war.

Anna seufzte.

Es war ihre Schuld. Das wusste sie. Sie hatte es sich selbst eingebrockt. Sie war zu schnell vorgegangen. Hatte ihre Vermutungen und angeblichen Beweise nicht genügend geprüft und war fast blind auf einen Schwindler herein-gefallen. Einem Schwindler, dessen Sucht nach Ruhm ihrer Sucht der Welt zu beweisen, dass sie nicht verrückt war, in nichts nachstand und so ihre Karriere fast vollständig zerstörte.

Doch heute würde es anders sein.

Ihre Nervosität legte sich.

Ein wenig jedenfalls.

Denn nun war sie für einige Zeit frei, um ihrem eigenen Ziel nachzugehen und dies vor allem sorgfältig.

Schnell war der lange Mantel über ihren Schultern und hüllte sie ein wie eine schützende Decke, so wie diese es bei allen Kindern taten, deren Albträume jede Nacht in der Dunkelheit lauerten. Noch schneller war der Riemen ihrer Tasche umgelegt, welche alles beinhaltete, was sie brauchte und hoffte nicht zu brauchen und schon schlug die Wohnungstür hinter ihr zu...

 

Wie? Was? Schon zu Ende? Nein! Doch bitte lesen sie unten weiter:


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